Gabor Ambrus ist Unternehmer aus Ungarn. Er lässt in Marokko Zementfliesen produzieren, importiert sie und verkauft sie jetzt auch in Wien.
Zwanzig mal zwanzig Zentimeter oder als sechseckige Wabe, typischerweise mehrfärbig gemustert, immer in matter Farbe. Gabor Ambrus hat fast 300 verschiedene Modelle davon in seiner Produktpalette: moderne Grafiken, arabische oder mediterrane Formen. Besonders beliebt ist das geschwungene Ornament „Aisha“. Die Rede ist von Zementfliesen.
„Dafür gab es früher in Europa mehrere Manufakturen“, sagt der Unternehmer. Ihren Ursprung hat die Technik schließlich im französischen Viviers, wo nahe der ersten französischen Portlandzement-Fabriken die Produktion von Zementfliesen begonnen hatte. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts war diese Machart europaweit verbreitet und auch in Wiener Zinshäusern sehr populär.
Jetzt sei ihre Renaissance gekommen, findet Ambrus. Denn sie seien traditionell, passten aber dennoch zu zeitgenössischem Interieur. Mittlerweile beschäftigt er sich deswegen nicht mehr ausschließlich mit orientalischem Muster. „Wir bieten jetzt mehr und mehr neuere Grafiken an“, sagt er und zeigt auf die 3-D-Quader in Schwarz-Weiß. Eine spezielle Farbkombination oder ein eigenes Design kann man sich anfertigen lassen. Dann gilt allerdings die Mindestbestellmenge von einem Karton.
Vor einem Jahr, im Juli 2016, hat Gabor Ambrus sein Geschäft hier in einem Ecklokal nahe der U-Bahn-Station Stadion eröffnet. Das Interesse für die farbenfrohen Zementfliesen bei der Wohn & Interieur Messe war groß. Und so entschied er, nicht nur seine vierte Filiale an den Standort Wien zu verlagern, sondern übersiedelte mit seiner Frau und den zwei Volksschulkindern nach Österreich.
Das Unternehmertum liegt ihm eher, als Angestellter würde er sich nicht wohlfühlen. Schließlich hat er schon mit 19 Jahren in seiner ungarischen Heimat ein Transportunternehmen gegründet. Dort befindet sich auch der erste Schauraum für die Marrakesh Zementfliesen. Je eine Filiale in der Slowakei und in Tschechien folgte, für Herbst ist eine weitere in Salzburg geplant.
„Marrakesh“ im Namen deutet nicht nur auf die vielen arabischen Muster hin. Ein Teil seines Unternehmens läuft ohne Ambrus in Marokko. Denn er verkauft nicht nur das Produkt, sondern lässt in der Nähe der marokkanischen Stadt seit neun Jahren die Fliesen, die er importiert, herstellen. „Als ausländische Privatperson kann man in Marokko kein Unternehmen gründen“, sagt Ambrus, der einen örtlichen Geschäftsführer angestellt hat. Alle drei bis vier Monate sieht er selbst nach dem Rechten. Momentan steht die Produktion mit 19 Mitarbeitern durch den Fastenmonat Ramadan still. Urlaub als Inspiration. Und wieso ausgerechnet Marrakesch? „In Marokko begann diese Geschichte vor 16 Jahren mit einer Woche Urlaub“, erzählt der Ungar. Er war inspiriert und gründete ein Unternehmen, um marokkanische Möbel nach Europa zu verkaufen. Ein Überbleibsel davon – das handbemalte, runde Keramikwaschbecken – steht neben den Musterfliesen im Wiener Schauraum. Doch das Ganze war teuer, der Transport nicht so einfach, meint er heute. So kam er auf Fliesen und die Eigenproduktion.
„Die Fliese besteht zu 100 Prozent aus Zement. Das ist stark wie Beton“, sagt er und holt eine circa fünf Zentimeter tiefe Schablone aus Eisen hervor. Was aussieht wie ein überdimensionaler Keksausstecher, ist verantwortlich für das Muster an der Oberfläche der Fliese. Diese Metallschablone trennt die einzelnen Farben voneinander. Sie wird in den Präzisionsrahmen eines Geräts eingespannt.
Der Mitarbeiter füllt die einzelnen Fächer mit unterschiedlichen Farben aus. Wenn die Oberfläche fertig ist, nimmt er die Schablone herunter, dann kommen Marmormehl und Zement. Schließlich presst es die Maschine unter hohem Druck. In vier bis fünf Minuten ist die Herstellung abgeschlossen, und die Fliese trocknet in der Sonne.
Die Vorbereitung zum Verlegen und das Verlegen sind aufwendiger und dauern länger als bei herkömmlichen Fliesen. Zuerst müssen die Kanten abgeschliffen werden. Da sie unbehandelt sind, werden die Fliesen mit Wachs versiegelt. „Die Imprägnier-Flüssigkeit schließt die offenen Poren ab“, erklärt Ambrus „das ist wichtig wegen der Flecken und der Feuchtigkeit“. Ähnlich wie Ton sind die Zementfliesen nicht hundertprozentig frostsicher und eher für Innenräume geeignet, im Freien nur auf überdachter Fläche, etwa einer Loggia. Jedenfalls soll seitlich oder von unten kein Wasser dazukommen. „Bei guter Pflege halten sie ewig“, sagt der Händler.
Im Geschäft erklärt er den Kunden die Reinigung: Zementplatten sind wie alle natürlichen, porösen Kalksteinoberflächen oder Cotto-Pflaster (diese sind gebrannt) etwas empfindlicher als andere glasierte Fliesen. Säurehaltige Mittel zerstören sie. Weil die Fliesen so empfindlich beim Verlegen sind, bietet Marrakesh Zementfliesen geschulte Fliesenleger aus Ungarn an, aber das lohnt sich erst ab 20 Quadratmeter. Die meisten heimischen Fliesenleger hätten Angst davor, meint Ambrus. Dabei biete er eine mehrsprachige Schritt-für-Schritt-Anleitung mit Fotos an.
Momentan verkauft er übrigens etwa 70 Prozent an Privatkunden und 20 bis 25 Prozent in die Gastronomie, zum Beispiel Wandfliesen für türkische Schnellimbisse oder Bodenfliesen in Kaffeehäuser. Das erste Projekt war der Boden mit moderner 3-D-Grafik im Naschmarkt-nahen Restaurant On Market. Aktuell arbeitet Marrakesh Zementfliesen an zwei Stiegenhausrenovierungen in Wien-Brigittenau.
Marakkesh Zementfliesen. 82 Euro kostet der Quadratmeter Zementfliesen, unabhängig von Muster oder Farbe. Die Einzelfliese bekommt man für fünf Euro.
Geliefert werden sie jede zweite Woche im Container mit dem Schiff. Ab der Bestellung dauert es circa drei Wochen.
Schauraum: 2., Engerthstraße 263. Geöffnet: Mo bis Fr 13–18 Uhr, Sa 9–12 Uhr.
Historische Zementbodenfliesen oder Fertigung nach eigenem Entwurf bietet in Wien auch die Antikebaustoffe e.U. von Philipp Jakob Schleidt in Döbling an. historischefliesen.at
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